One Inch Dreams

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Yangshuo

Highline Weltrekord in China

Während seiner Slackline Reise nach China ist es Alexander Schulz gelungen, eine 375 m lange Highline im chinesischen Yangshuo zu begehen und damit den alten Weltrekord um 70 m zu überbieten. Hier unser Trailer dazu:

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Auswahl Medienberichte

Der Spiegel | Slackliner-Weltrekord | “Mir hilft, dass ich kurzsichtig bin”

Der Spiegel | Auf einem Gummiband in 90 Meter Höhe

WELT | Spektakulärer Highline-Weltrekord eines Deutschen

GEO | Slackline-Weltrekord in 100 Meter Höhe

RedBull | Highline Weltrekord! 375 m im Kalk & Dschungel

RedBull | Mind on Wire

Rekord Institut | Highline im Dschungel

PNP | 375 Meter: Rosenheimer schafft in China Slackline-Weltrekord + Video

Salzburg24 | Slackline: Weltrekord in schauriger Höhe

Bergsteigen.com | NEUER WELTREKORD IM SLACKLINEN

Rosenheim24 | Alex Schulz: Bildgewaltiger, neuer Weltrekord

Urlaubsguru | SLACKLINES: BALANCIEREN IN SCHWINDELERREGENDER HÖHE

Alex Bericht über sein erstes Mal in China:

Anfang Oktober wurden Johannes und ich vom besten chinesische Slackliner, Rio Zhang, für ein 5-tägiges Highline Event nach China eingeladen. Wir mussten nicht zwei Mal überlegen und entschieden uns, gleich einen ganzen Monat in China zu bleiben. Trotz nur zwei Wochen Vorlaufzeit klappte Expresspass- und Visumsbeantragung rechtzeitig, sodass wir am 21.10. mit 150 kg Gepäck im Flieger nach Shanghai saßen. Mit an Board war das 750m lange Dyneemaband von Elephant und der Vorsatz, den bestehenden Highline-Weltrekord von Julian Mittermaier über 224m zu brechen. 12 Stunden später betraten wir gejetlagt das andere Ende der Welt.

Mit Rio und Damian Jörren nahmen wir einen Zug in die südchinesische Provinz Zhejiang. Das Highline Event fand im Nationalpark Shenxian Ju statt und war von der Tourismusbehörde initiiert, um die Region touristisch zu beleben.
Nachdem gegen unseren Willen Träger die schwersten Gepäckstücke auf den Gipfel geschleppt haben, bauten wir eine 56m und eine 80m lange Highline auf. Die vom Organisator vorbereiteten Anker bereiteten uns etwas Sorgen. Sie bestanden zwar aus je fünf 2cm dicken und 80cm langen Stahlstangen, allerdings sehr schlecht eingeklebt. Das aus pyroklastischen Strömen entstandene vulkanische Gestein (Im Prinzip komprimierte Asche) war aber leider ebenso unstabil wie der verwendete Kleber (beides ließ sich mit leichten Hammerschlägen abbröseln), sodass sich die Stangen bewegen ließen. In Anbetracht der Länge der Anker und der Zugrichtung der Highlines von 90° zum Anker sowie niedriger Spannung befanden wir es letztendlich für sicher. Auf extern befestigte Backups wollten wir trotzdem nicht verzichten.

Im Anschluss hatten wir noch einen Tag Zeit, die Lines zu genießen, bevor es am Haupteventtag ein Pflichtprogramm gab. Für die Medien mussten wir zwei Contests durchführen, der schnellste bzw. weiteste Lauf gewann. Hunderte Besucher des Parks stellten eine eigenartige Kulisse dar. Wir wurden geradezu genötigt jede Minute ein weiteres Autogramm zu geben oder Fotos zu machen. Mit den ersten feschen Mädels war das ja noch ganz lustig, aber am dritten Tag in Folge wurde es dann doch langsam nervig... Aber so sind die Chinesen, besonders in einer abgelegenen Provinz wie dieser, in der Europäer eine exotische Seltenheit sind. Als Ausgleich zu dem Trubel hatten wir abends den Park für uns und konnten von den direkt an den senkrechten Felsen einbetonierten Gehwegen aus die malerische Landschaft genießen. 

Am nächsten Tag fand der Rainbow-Colorrun statt, bei dem 1000 Menschen auf einer abgesteckten Strecke von 5 km sich gegenseitig mit Farben bewarfen. Damian, Hannes und ich hatten großen Spaß dabei, auch wenn Augen und Atemwege durch das Farbpulver gereizt wurden. 

Nach diesen intensiven Erlebnissen ging es zurück nach Shanghai. Fünf Tage verbrachten wir in der 23-Millionen Metropole mit ihrem Smog und Wolkenkratzern. Auf bis zu 600m hohen Gebäuden zu stehen war inspirierend und hat Lust aufs Wiederkommen und Begehen von urbanen Highlines gemacht. 
Doch stattdessen flogen wir am 23.10. ins chinesische Kletterermekka Yangshuo, in dem 2011 der Petzl Roctrip stattgefunden hatte. Den visuellen Eindruck beschreibt mein ecuadorianischer Slackline Freund Alejandro treffend: 
„Yangshuo ist eine kleine Stadt, die von Dschungel und kuriosen Felsformationen umgeben ist. Ich habe noch nie etwas ähnliches gesehen, das Erste, was mir in den Sinn kam, als ich die Szenerie sah, war: So muss die Dinosaurierwelt aussehen.“

Zwischen diesen einzigartigen Kalkfelsen wollten wir eine würdige Weltrekordhighline spannen. Zuallererst mussten wir aber einen passenden Platz dafür finden. Da Jerry Miszewski inzwischen eine 305m lange Highline gelaufen war, musste der Spot mindestens diese Distanz hergeben, aber auch nicht länger als 350m lang sein, damit ein Durchlaufen nicht extrem unrealistisch wird. Eine weitere Vorraussetzung war eine gute Zugänglichkeit ohne viel Vegetation. Auch sollte der Spot ästhetisch und exponiert sein.

So eine Kombination zu finden stellte sich trotz der nahezu unendlichen Zahl an Felsen als nicht leicht heraus. Mit unseren gesponserten Rollern fuhren wir drei Tage durch die Gegend, bis wir schließlich zwei geeignete Türme fanden, die allem Anschein nach maximal 350m auseinander standen und 180m bzw. 100m hoch waren. Am nächsten Tag kletterte Johannes mit dem Niederländer Gert, den wir am Vorabend kennengelernt hatten, in glühender Hitze mit schweren Rucksäcken eine Mehrseillängentour auf den höheren Felsen und richtete dort Fixseile ein. Gleichzeitig schlugen Rio und ich uns mit Macheten durch die dichte Vegetation auf den „Dschungel-Turm“; beim Vorsteigen der steileren Passagen bewegte ich mich wegen der miserablen Steinqualität sehr vorsichtig fort.

Als ich drei Stunden später oben angekommen durch den Laser schaute, wurde ich desillusioniert: Die kürzest mögliche Distanz war 370m. Verdammt, zu lang! Zum Einen würde unser doppelt genommenes Band nur knapp reichen. Außerdem glaubte ich, dass das Durchlaufen dieser Highline für mich aktuell unmöglich sei und wenn überhaupt dann nur nach wochenlangem Training realistisch werden würde, da ich selbst auf dem Boden erst einmal ein Setup gelaufen, das ähnlich viel wog und noch nie eines, das so lang war. Da die Zeit zur Spotsuche begrenzt war und dank Rios aufmunternden Worte entschied ich mich es trotzdem zu probieren.

Die nächsten zwei Tage lag unser Fokus auf dem Yangshuo Kletterfestival, für das wir eine eine Mid- und Longline spannten. Extra dafür angereiste Slackline-Freunde von Rio, wie auch Alejandro, zeigten ihr Können auf der Trickline. 
In China fängt der Outdoor-Boom gerade erst an, trotzdem war das Event eine Massenveranstaltung mit hunderten Leuten, die gleichzeitig geklettert sind. Mit dem Event kam auch ein Wetterwechsel, es wurde 10° kälter und regnerischer. Am Regentag nach dem Event kauften wir 10m Teppich als Padding und tapten mit Unterstützung von Alejandro und den anderen Slacklinern das Setup. 
Als wir mit Alejandro und dem chinesichem Trickliner Rex am Tag darauf Teppich, Schlingen und Flaschenzug auf den Dschungel-Turm hochschleppten, schrammte Rex knapp am Tod vorbei: Ein Stein, an dem er sich festhielt, brach aus. Sein Totalabsturz wurde nur durch eine Palme verhindert, auf der er glücklicherweise landete. 
Danach lief der Aufbau zwar sicherer ab, aber war dafür noch anstrengender und schwieriger. Am meisten Zeit und Nerven kostete uns das Legen der Verbindung. Die ganze Strecke mit der Drohne zu fliegen war leider unmöglich. Vom höheren Turm startend ging es erst 50m durch den Dornen-Dschungel. Den Rest konnten wir zwar in Etappen mit der Drohne über die Straße samt Stromleitung von Hausdach zu Hausdach fliegen, jedoch verhing sich die Schnur am zweiten Abend in einem Bambuswald, aus dem wir sie erst am Mittag des dritten Tages mit einem riskanten Drohnenmanöver befreien konnten. Um das rießige Haulbag nicht auf einen Turm hoch- und das 25kg schwere Setup auf einmal rüberziehen zu müssen, suchten wir uns ein Hausdach in der Mitte aus, von dem Reepschnüre zu beiden Türmen hochführten und gaben daran die gedoppelte Line aus. Das Anheben auch nur der Hälfte der Slacklin war alleine ein echter Knochenjob, vor Allem als ich dazu an der Wand des höheren Turms hängend an einer nur 4mm dicken Reepschnur anziehen musste. Der Anker dort bestand aus einem Masterpoint mit fünf Bohrhaken. Als ich die Slackline später auch auf der anderen Seite hochzog, blieb sie an einem Hausdach hängen, von dem wir sie erst am nächsten Tag lösen konnten. Auf dem Dschungelturm umschlang ich einen massiven Felsbrocken weit hinten und bohrte zusätzlich vier Haken fürs Backup. 

Am nächsten Tag zogen Johannes und ich am Verbindungsseil die letzten Meter der Line ein, die sich gerade so in den Flaschenzug einhängen ließ. Während Gert drüben hochgejummert war und sicherstellte, dass sich die Spannung gleichmäßig auf die Haken verteilte, spannten wir die Line auf 200kg an und installierten die Backups. Trotz des ganztägigen Regens war ich extrem motiviert, endlich auf die Line zu gehen und alles zu geben. Bei den ersten Schritten brachte ich sehr viel Bewegung rein. Aber ich wurde schnell ruhiger und konnte bis zu 15m am Stück laufen – Die Tatsache, dass ich auf diesem slacken Monster mit 20m Durchhang zumindest einige Meter zurücklegen kann, machte mir etwas Hoffnung. Nach 50m drehte ich jedoch um, weil meine Freunde frierend auf mich warteten und es dunkel wurde. 
Nach einem späten Start kam ich am zweiten Tag mit zahllosem Fangen etwa 100m weit. Nachdem ich mich beim Rückweg im lockeren Backup verfangen hatte und sowieso nichts mehr ging, machte ich Feierabend und seilte ab. 
Am dritten Tag spannte ich das Backup etwas nach und konnte zwar 30m am Stück laufen, aber es war ein ununterbrochener Kampf. Nach dem Fall kam ich nicht mehr rein, obwohl ich inzwischen gelernt hatte, Fehler nicht zu übergehen, sondern zu warten, bis die Schwingung nach vier Sekunden zurückkommt.
Das Erhöhen der Spannung von 200kg auf 400kg änderte alles. Ich fuhr mit der Slackline Rolle in die Mitte und probierte von dort aus zum Rand zurück zu laufen. Nach ein paar Catches direkt nach dem Aufstehen kam ich in einen Flow und konnte mit nur einmal Fallen bis zum Rand zurücklaufen. Wie viel einfacher als vor einer Stunde sich die Line anfühlte! Nun war ich mir sicher, dass das Durchlaufen nur eine Frage der Zeit ist. Da uns jedoch nur noch zwei Tage blieben, bevor wir hätten abbauen müssen, buchten wir sicherheitshalber unsere Flüge um und verlängerten unsere Visas was die nächsten zwei Tage in Anspruch nahm. In dieser Zeit schlug uns der Regen, das Stadtleben und Streit mit unseren Freundinnen ziemlich aufs Gemüt. Doch wir nahmen uns Zeit für unsere Liebsten und fanden schließlich Lösungen. 

Mit freiem Kopf und körperlich ausgeruht fuhren Johannes und ich am 19.11.14 auf unseren Rollern zum Spot. Mein bester Freund hatte leider ein faules Ei gefrühstückt und musste sich schon am Fuß des 100m hohen Turms übergeben. Um Aufnahmen vom anderen Turm aus zu machen traversierte er mit der Slackline Rolle zur anderen Seite. Ich bereitete mich währenddessen aufs Laufen vor. Ich glaubte, dass ich die Line an diesem Tag eh noch nicht durchlaufen würde. Damit Hannes nicht so lange in der Wand hängen muss, setzte ich mir deshalb das Ziel, mit möglichst wenigen Catches die andere Seite zu erreichen. Mir war klar, dass ich nur dann weit komme, wenn ich innerlich entspannt war. Um das zu erreichen, nahm ich mir für Alles was ich tat viel Zeit. Nachdem Johannes drüben angekommen war, spannte ich auf 600kg nach und stand mit dem selben Electrobeat im Ohr wie an den Tagen zuvor auf. Es fühlte sich erstaunlich gut an und meine Erwartung, vor der Mitte zu fallen, erfüllte sich nicht. Kurzzeitig konnte ich sogar die epische Umgebung bewusst wahrnehmen. Ab der Mitte musste ich mich verstärkt auf die essentiellen Dinge konzentrieren: Tiefe Atmung, Langsames Gehen und Konzentration auf den Moment. Am allerwichtigsten war, die Versagensangst so weit abzulegen, dass ich mental entspannt genug war, nach Fehlern auf die Schwingung der Line richtig zu reagieren. Dabei half mir diese Erkenntnis: Du bist so weit wie noch nie davor gekommen, daher wäre es schon ein großer Erfolg, selbst wenn du jetzt fällst.
Je länger ich unterwegs war, desto leichter schweiften meine Gedanken ab. Zwei Mal dachte ich: Das ist noch so weit! Um wieder voll beim Balancieren zu sein, sagte ich mir: Noch hast du die Chanche sie durchzulaufen, also vergeude sie nicht und konzentrier dich wieder aufs Wesentliche. 
Im letzten Drittel fuhr der Wind in die Line und brachte sie ordentlich zum Schwingen. Ich musste mich immer wieder zum Durchhalten zwingen. 30m vorm Ende war der Wind passé, aber dafür kam die Angst auf, jetzt doch noch zu Fallen. Als ich nach insgesamt 40 Minuten Laufen den Fels berühre, sind meine ersten Worte zu Hannes: „Es ist alles nur im Kopf! Das fühlt sich so surreal an, ich kann nicht glauben, dass das gerade passiert ist.“

Zufälligerweise kamen kurz nach mir eine Kletterpartie am Stand an, der neben dem Highline Anker ist.

Nach 15 Minuten Pause probierte ich den Rückweg und schaffte ihn mit zwei Mal Fallen. Nach dem Ankommen ging ich sofort wieder auf die Line, weil ich auf den letzten Metern so ein Glücksgefühl verspürt hatte. Der Kraftmesser zeigte inzwischen nur noch 400kg an. Die Spannung beim erfolgreichen Lauf betrug also zwischen 500 und 600kg.

Da ich für Filmaufnahmen noch einmal die halbe Line gelaufen bin, war ich am nächsten Tag so platt, dass ich keinen Meter mehr weit kam. Die restlichen Tage verbrachte ich noch einige Stunden auf der Line. Die Rückrichtung hat zwar nicht geklappt, aber das war mir egal. Viel Wichtiger ist, dass mich die Zeit in China persönlich bereichert hat und ich gelernt habe, mir Zeit zu nehmen sowie Dinge einfach wahrzunehmen, ohne mich dabei von Ängsten beeinflussen zu lassen und dadurch ein Stückchen entspannter und glücklicher leben kann.
 

Jetzt rückblickend nach einem intensiven Monat in China und unserem Projekt kann ich nur sagen: Alles, wirklich alles, unterscheidet sich von Europa. Ich habe China als ein Land erlebt, das sich im Umbruch befindet. Ein Land mit unwirklichen und lauten Millionenmetropolen, mit einzigartigen und wunderschönen Landstrichen und einer uns fremden Kultur. Ich freue mich auf alle weiteren Projekte in China, und hoffe, dort noch einige Slacklines zu spannen.
 

Tausend Dank an Rio, Gert, Alejandro, Rex, den Bike-Verleih & alle anderen Menschen, die uns so grandios unterstützt und diese Reise zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht haben!
Dank sei hier auch Elephant Slacklines und HD+ gebührt, die mich bei allen meinen Vorhaben unterstützen!
 

Line Facts:

Länge: 375 m
Höhe: 100 m
Vorspannung: 5 kN
Durchhang: 10-15 m
Mainline Material: Pures Dyneemaband von Elephant (34 g/m)
Backup Material: Pures Dyneemaband von Elephant (34 g/m)
Schwungmasse: 25,5 kg
Laufstil: Eine Richtung (half man)
Datum: 19.11.2014

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